18. Epsiode - Interview mit Fiede aus der Stotterer Selbsthilfegruppe

Shownotes

Rebecca: Hallo zu einer weiteren Folge von Hörbar – Selbsthilfe in Nordfriesland. Ich bin Rebecca, Mitarbeiterin der Selbsthilfe Kontaktstelle in Nordfriesland. Und heute habe ich Fiede zu Gast. Er leitet die Selbsthilfegruppe Stottern Schleswig-Flensburg. Rebecca: Ja, hallo Fiede. Fiede: Ja, hallo Rebecca. Rebecca: Was ist Stottern? Fiede: Stottern ist offiziell eine Redeflussstörung. Das ist, glaube ich, ganz gut zu merken. Aber, ich glaube, das ist auch viel mehr mit dem Mensch macht, als bloß die Störung beim fließenden Sprechen.
Rebecca: Und seit wann hast du die Diagnose? Fiede: Also, ich glaube, dass ich seit Anfang meines Lebens stotter. Mal mehr, mal weniger. Aber, ich kann mich an keine Zeiten erinnern, an denen ich gar nicht gestottert habe. Zeitweise kriegte ich keinen zusammenhängenden Satz raus. Die Hälfte des Alphabetes waren tabu Buchstaben. Rebecca: Ok, ja. Und dann auch eine lange Zeit mit Therapieerfahrung? Oder wie läuft sowas ab?
Fiede: Also, ich habe immer mal wieder versucht, durch Therapien was zu verbessern, aber habe dabei nicht nur aufs Sprechen geguckt. Ich habe viel mehr darauf geachtet, durch Selbsterfahrungsseminare selbstbewusster und präsenter zu werden. Mich nicht zu verstecken. Rebecca: Ja, und dann kam das Thema Selbsthilfe. Hast du auch die Selbsthilfegruppe gegründet? Fiede: Also, mit der Selbsthilfe bin ich neunzehnhunderteinundachtzig in Kontakt gekommen. Da war das Bundestreffen der Stotterer Selbsthilfe in Kiel. Und ich habe damals bei einem Sprachlehrer eine Art Therapie gemacht. Der gab mir den Tipp. Und dann bin ich nach Kiel gefahren. Und das war schon beeindruckend. Zum ersten Mal stotternden Menschen zu begegnen. Und am Freitagabend da stellten sich dann Gruppen vor. Und dann wurde sich persönlich vorgestellt. Und die haben so gestottert. Ich habe kein Wort verstanden. Und da war das Bedürfnis, das auch zu tun. Mein Puls der raste und der ganze Körper zitterte. Ich habe es auch nicht geschafft. Erst sieben Tage später in Stuttgart. Da ging es. Und war Wahnsinn. Rebecca: Das kann ich mir vorstellen. Fiede: Mit Pipi in den Augen. Ja, das war der erste Kontakt. Und die erste Gruppe in Flensburg haben wir Ende der Achtziger gegründet. Da bin ich dann irgendwann aus persönlichen Gründen rausgegangen. Das gab es ziemlichen Stress in der Gruppe. Und dann bin ich irgendwann in die Gruppe zurück gegangen. Aber die dümpelte da so vor sich hin. Ich habe da gesehen, dass mir die Grupp gar nichts bringt und dass die Gruppe mich aussaugt. Weil ich da genug Therapeut bin. Die glaubten, ich bin der große Therapeut und kann das da regeln. Wir haben dann die Gruppe aufgelöst. Und irgendwann vor zehn Jahren habe ich mit einem Freund zusammen dann die Schleswiger Gruppe gegründet. Eigentlich wollten wir nur zusammen eine bestimmte Sprechtechnik üben, aber man wird das als Selbsthilfegruppe deklarieren. Dann konnte wir bei KIBIS einen Raum kriegen. Dann waren wir zeitweise zu zweit, zu dritt. Aber immer zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Rebecca: Ok. Und wie viele Gruppenmitglieder seid ihr derzeit? Fiede: Wir sind zurzeit drei. Der vierte, von dem ich gerade sprach, der ist jetzt leider verstorben. Der war in der letzten Zeit auch nicht mehr dabei. Wir haben ja jetzt im Oktober eine große Veranstaltung in Schleswig gemacht. Wo wir die Cartoon Kalenderbilder von Carsten und Siegrid Martinen ausgestellt haben. Und eine Podiumsdiskussion zum Thema Humor, um stottern das dann zusammen gemacht zu haben. Natürlich mit den Gedanken, dass da Leute vielleicht in die Gruppe kommen. Und entsprechend haben wir ja auch ganz groß im Norden Schleswig-Holsteins Plakate und unseren neuen Flyer verteilt. Ich hoffe, dass das noch ein bisschen nachwirkt. Aber es kommen ja tolle Geschichten dabei raus. Du kommst auf mich zu und machst einen Podcast. Rebecca: Ja, genau. Und so erlangt das ja auch nochmal eine Reichweite. Auch vielleicht für die Jüngeren. Weil, es gibt ja auch junge Leute. Wie gesagt, es kommt schon von Kindesalter an, das man stottert. Und es gibt ja auch einfach junge Leute, die stottern. Ja, und warum nicht einfach mal in die Selbsthilfe. Wie wichtig ist für dich die Selbsthilfe? Fiede: Die Selbsthilfe ist, glaube ich, sehr wichtig, weil ich da auch über Sachen reden kann, die ein Normalsprechender gar nicht versteht. Es gibt so ganz kleine Geschichten, wo man denkt, ja. Ich war zum Bespiel mal auf einem Seminar, da kam ich dann beim Frühstücken nicht an die Butter ran am Tisch. Und da Gespräche, also da bin ich dann aufgestanden und konnte dann die Butter erreichen. Und ein Kollege sagte dann, ja, sag doch was. Ja sagte ich, genau das ist das Problem. Rebecca: Ja, das ist dann schwierig. Fiede: Das verstehen dann nur Leute, die, glaube ich, das selber auch kennen. Rebecca: Ja, wie oft trefft ihr euch? Und wo? Fiede: Wir treffen uns einmal im Monat. Wir treffen uns bei KIBIS in Schleswig, Lollfuß achtundvierzig. Jeden dritten Donnerstag im Monat um neunzehn Uhr. Also, gerne kommen. Rebecca: Ok. Ja, also gerne vorbeikommen. Dann verlinke ich euch auch nochmal. Ja, was ist dein persönlicher Gewinn durch dein Engagement in der Selbsthilfe? Fiede: Mein persönlicher Gewinn ist, glaube ich, ich bin da doch gewachsen. Ich bin größer geworden. Präsenter. Vor allem selbstbewusster. Ich habe gerade vor kurzem, ich bin zurzeit mit meinem Sprechen gar nicht zufrieden. Und bin gerade erstaunt, wie gut es geht. Und da macht eine Bekannte mich darauf aufmerksam, dass in Flensburg bei einem Contest ein stotternder Poetry Slammer den ersten Preis abgeräumt hat. Ich habe den dann gegoogelt. Und er war Spastiker und stotterte. Wie selbstbewusst. Der hat auf der Bühne stand. Da dachte ich, hey, das kannst du auch. Man macht sich, glaube ich, viel zu viel Gedanken. Und mein persönlicher Wunsch, mein persönliches Ziel ist, so beim Stottern zu sprechen, dass ich mich nicht anstrengen muss. Und die Zuhörer auch nicht. Und ich glaube, dann können wir tolle Gespräche machen. Rebecca: Das auf jeden Fall. Und dann nochmal zum Schluss: Welche Vorteile hat deiner Meinung nach die Selbsthilfe? Fiede: Die Selbsthilfe dient dazu, aus der Isolation heraus zu kommen. Ich glaube, das ist das größte Problem für Stotternde. Sich nicht zu zeigen. Sich zu schämen. Dafür, dass sie nicht so sprechen können wie andere. Und viele Sachen stehen in dem Prospekt, die weiß ich jetzt gar nicht alle auswendig. Also konkret im Prospekt. Ich glaube, die Selbsthilfe ist eine Tankstelle. Da kann man Kraft tanken und selbstbewusst sein. Und das ganz umsonst. Auch bei diesen Energiepunkten. Rebecca: Ja, das ist so. Und gemeinsam geht halt auch alles besser. Fiede: ja, und die Leute, die da kommen, die wissen, wovon sie sprechen. Und der Zuhörer weiß, was da abgeht. Und es gibt sehr viele Sachen, die konnte ich mit meiner Partnerin gar nicht besprechen. Es gibt Situationen, die weiß sie gar nicht. Weil, da konnten wir nicht drüber reden. Rebecca: Vielen Dank für deinen Einblick. Vielen Dank für deine Zeit und das Interview. Fiede: Ja, gerne.

Möchtest du weitere Informationen der Selbsthilfegruppe Stottern haben? Dieses und weitere Informationen zu aktuellen Selbsthilfegruppen findest du auf unserer Homepage: www.kibis-nf.de. Auf Instagram @kibisnf, alles klein uns zusammengeschrieben, und auf Facebook unter kibisnf. Kommst du aus einer anderen Region, dann schau doch mal auf der Schleswig-Holsteinischen Homepage der Selbsthilfe Kontaktstellen vorbei: www.selbsthilfe-sh.info.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.