17. Episode - Interview mit Bea und Stefanie von der Frauenberatung und Notruf Nordfriesland
Shownotes
Intro Intro aus Imagefilm Selbsthilfe
Rebecca: Hallo und Willkommen zu einer weiteren Folge von Hörbar – Selbsthilfe in Nordfriesland.
Wir haben zweitausenddreiundzwanzig, ein neues Jahr. Ich wünsch euch alles Gute. Ich bin Rebecca, Mitarbeiterin der Selbsthilfe Kontaktstelle in Nordfriesland. Und heute habe ich Stefanie und Bea von der Frauenberatung und Notruf Nordfriesland zu Gast.
Rebecca: Ja, hallo Stefanie, hallo Bea.
Stefanie: Hallo Rebecca.
Bea: Hallo Rebecca.
Rebecca: Seit wann gibt es die Frauenberatungsstelle?
Stefanie: Die gibt es seit neunzehnhundertfünfundachtzig.
Rebecca: Oh.
Stefanie: Schon so lange.
Rebecca: Ja. Wahnsinn. Und wie viele Kolleginnen seid ihr?
Stefanie: Wir sind zurzeit fünf Beraterinnen und wir haben noch eine Teamassistentin.
Rebecca: Ok. Ja, wer kann zu euch kommen?
Bea: Genau. Wir arbeiten mit Frauen und Mädchen ab sechzehn Jahren. Und die
kommen zu allen möglichen Krisenthemen, aber insbesondere auch, wenn es
um Gewaltthemen geht. Also, wenn Frauen und Mädchen von Gewalt
betroffen sind.
Rebecca: Wie hat sich die Arbeit der Beratung in Zeiten von Corona und Lockdown
verändert?
Bea: Ja, da fragst du die Richtigen. Ähm, ich bin jetzt seit einem Jahr dabei. Stefanie
seit einem halben Jahr.
Rebecca: Ah, ok.
Bea: Genau, das heißt, wir sind noch relativ frisch. Und trotzdem kann ich auch aus
dem vorherigen Arbeitsbereich so ein bisschen erzählen, dass es natürlich
Veränderungen gab. Und es ist wichtig, dass wir weiterhin aktiv bleiben,
weiterhin auch zugänglich sind. Deswegen weiß ich aus unserer
Frauenberatungsstelle, dass relativ schnell dafür gesorgt wurde, wieder
Präsenztermine anbieten zu können. Beratungen mit Luftfilter, Maske,
Fenster auf etc. Aber es geht vielen auch darum, den persönlichen Kontakt
aufrecht zu erhalten.
Rebecca: Haben sich auch in der Zeit, habt ihr jetzt in dem letzten Jahr mitbekommen,
deutlich weniger Frauen bei euch gemeldet?
Bea: Nee, absolut nicht. Ich glaube, wir haben eher einen Anstieg der Zahlen.
Einfach aber auch aufgrund dessen, dass wir jetzt mehr Beraterinnen sind.
Also, im letzten Jahr war es aufgrund von Krankheit waren es zwei
Beraterinnen für den ganzen Kreis. Und jetzt sind wir fünf. Das ist ja deutlich
mehr Kapazität.
Rebecca: Ja, und der Kreis, das ist ja tatsächlich von Tönning bis dänische Grenze und
auch die Inseln?
Stefanie: genau. Ja, so ist das. Und wir haben den Standort in Niebüll. Den haben wir
auch ausgebaut im letzten halben Jahr. Das heißt, wir haben ganz viel
Netzwerkarbeit gemacht und haben auch versucht, ja, so erste
Präventionsangebote anzustoßen. Das ist alles noch in Bewegung. Aber, jetzt
geht es langsam wieder los.
Rebecca: Ja, ihr seid im Kreis NF die einzige anerkannte Beratungsstelle auch bei
häuslicher Gewalt. Wenn ich selber betroffen bin, wie sieht eine
Kontaktaufnahme aus? Ist die anonym?
Bea: Ja, wir haben verschiedene Wege, wie man Kontakt zu uns aufnehmen kann.
Also ganz klassisch über Telefon. Wir haben Telefonsprechzeiten, wo
garantiert ist, dass eine Beraterin am Telefon ist. Aber es geht auch über
Email. Wir haben des Weiteren, das nennt sich Text us, das ist eine
anonymisierte Online Beratung. Da muss man seine Email Adresse nicht
angeben. Man kann uns anonym schreiben und wir schreiben dann zurück.
Und wir sind auch auf Social Media. Darüber machen wir zwar keine Beratung,
keine Rückmeldung, aber wenn wir angeschrieben werden, geben wir gerne
unsere Kontaktdaten weiter, so dass uns direkt geschrieben werden kann.
Rebecca: Ok. Also, seid ihr dann auch rund um die Uhr erreichbar?
Bea: Wir haben Bürozeiten, zu denen wir erreichbar sind. Aber dadurch, dass wir
auch viel in Beratung sind, sind wir halt nicht jederzeit da. Deshalb hatten wir
diese Telefonsprechzeiten. Wenn es um abendliche Sachen geht, nachts was
passiert, dann gibt es das Gewalttelefon bzw. das Hilfetelefon für Frauen
unter der 08000 116016. Und auch immer Polizei anrufen.
Rebecca: Und arbeitet ihr auch mit der Polizei zusammen?
Bea: Ja. Wie du das schon sagtest, wir sind die anerkannte Beratungsstelle für
häusliche Gewalt. Das bedeutet, wenn die Polizei zu einem Einsatz von
häuslicher Gewalt gerufen wird, werden uns sozusagen Kontaktdaten von der
Frau zugesandt. Und wir kontaktieren dann pro aktiv diese Frau und bieten ihr
unsere Unterstützung an.
Rebecca: Ok, ja.
Bea: Sie ist nicht verpflichtet dazu, mit uns in Kontakt zu stehen. Wir sind auch der
Polizei nicht verpflichtet zu erzählen, was sozusagen zwischen uns und der
Frau besprochen wurde bzw. sobald die Kontaktdaten zu uns übermittelt
werden, geht die Polizei das nichts mehr an. Nur, wenn die Frau das möchte.
Also, wenn die Frau das möchte, dass wir Rücksprache halten mit der Polizei,
dann machen wir das natürlich gerne.
Rebecca: Was habt ihr für Angebote im neuen Jahr?
Stefanie: Ja, ein Angebot wird sein, dass wir einen WenDo Kurs auf Sylt anbieten. Das
kommt jetzt im Prinzip von uns aus der Beratungsstelle Niebüll. Ein WenDo
Kurs, das ist ein Selbstbehauptungskurs und Selbstverteidigungskurs für
Frauen. Und, ja, ich bin von Frauen von der Insel angesprochen worden und
die haben gesagt, das wäre doch toll, wenn so was bei uns auf der Insel mal
stattfinden könnte. Und so ist es dazu gekommen, dass wir jemanden
engagieren können. Und die wird dann im kommenden Jahr kommen.
Rebecca: Oh, klasse. Das ist toll. Wie viele Frauen nutzen das Angebot?
Stefanie: Ja, ich habe extra heute nochmal nachgefragt. Das sind so ungefähr,
zumindest zweitausendneunzehn, das war ja vor Corona, da waren es
dreihundertfünfzig Frauen, die wir beraten haben. Und jetzt sind wir auch
schon, wir sind ja jetzt mehr Beraterinnen, sind wir auch schon bei über
dreihundert. Wir haben immer noch den Dezember und November und
Dezember sind bei uns noch nicht gezählt. Ich gehe von mindestens
vierhundert Beratungen aus.
Rebecca: Und, ja, wo findet man euch?
Bea: Also, wir haben zwei Standorte. Einmal in Husum in der Norderstraße
zweiundzwanzig und in Niebüll in der Friedrich-Paulsen-Straße sechs a. Und
wir bieten auch auf Sylt die Außensprechstunde an. Bzw. die Termine werden
auch bei uns auf der Homepage und bei Instagram hochgeladen, so dass man
jederzeit sieht, wann wir da sind.
Rebecca: Ja, und da werde ich euch auch nochmal verlinken. Wo bekomme ich noch
genaue Infos? Wo seid ihr alles vertreten? Auch auf Social Media?
Stefanie: Oh, das ist tatsächlich Beas Fach.
Bea: Also, wir haben Facebook und Instagram. Das Klassische, würde ich jetzt mal
sagen. Also, da sind wir vertreten und da kann man uns auch googeln bzw. auf
unserer Hompage, da findet man auch nähere Infos.
Rebecca: Was erwartet einen denn, wenn man euch in der Sprechstunde besucht?
Bea: Also, was ich immer spannend finde, ist, dass es für Frauen eine total wichtige
Information ist, dass sie nicht alleine sind. Wenn wir von häuslicher Gewalt
bzw. von Gewalt gegen Frauen sprechen, dann sprechen wir von jeder dritten
Frau. Also, jede dritte Frau muss in ihrem Leben durch den Ex-Partner oder
Partner Gewalt erleben. Das heißt, wir haben kein individuelles Problem, was
Frau beheben muss, sondern wir haben ein gesellschaftliches Problem. Und
für viele Frauen ist das einfach eine gute Information zu sehen, das liegt nicht
an mir, ich bin nicht schuld. Ich trage nicht die Verantwortung. Und das ist
auch ein großer Auftrag, den wir für uns sehen, diese Täter Opfer Umkehr zu
beheben. Wenn wir davon sprechen, dass Frau in einer Beziehung ist, die
gewalttätig ist, dann wird sie oft damit konfrontiert, ja, warum trennst du dich
dann nicht. Warum gehst du nicht? Warum lässt du dir das antun bzw. ja, du
nimmst ihn doch eh wieder zurück. Und diese Implitionen bedeuten ja auch
immer, dass die Frau degradiert wird. Der Frau wird erstmal die
Verantwortung dafür gegeben, dass es Gewalt in dieser Beziehung gibt. Und
gleichzeitig muss sie die Verantwortung dafür übernehmen, sich zu trennen.
Und uns geht es einfach darum, dem Täter bzw. dem Partner, dem Mann die
Verantwortung dafür zu geben, die er dafür tragen muss, dafür, dass er
gewalttätig ist. Es ist zwar schön und gut, wenn sich die Frau trennt, und aus
der Beziehung raus ist. Dann nimmt er sich die nächste und macht das Gleiche
von vorne. Also, da ist es uns wichtig anzusetzen und auch in die Prävention
zu gehen und darauf hinzuweisen. Schön und gut, dass es uns gibt als
Frauenberatungsstelle. Aber es ist schon schrecklich, dass es uns geben muss,
weil es einfach so weit verbreitet ist. Und gleichzeitig braucht es ganz ganz
dringend ganz ganz viel Angebot, aber auch Verpflichtung für Männer, die
gewalttätig werden in Beziehungen.
Stefanie: Ja, und es ist auch mir wichtig, noch zu sagen, wenn die Frauen kommen,
dann ist es gut, so wie sie sind. Sie werden so genommen, wie sie sind und wir
unterstützen sie da, wo sie es brauchen und sind sozusagen immer für sie da.
Also, das wird auch ganz klar, gerade in diesen schweren Krisensituationen. Da
wird das vermittelt. Ich bin jetzt für dich da, bis du wieder stabil bist und gute
Entscheidungen für dich treffen kannst.
Rebecca: Ja, es ist ja auch teilweise echt schwer, wenn ich mir das so recht überlege,
meistens hat man ja auch Kinder. Das ist ja gerade im häuslichen Umfeld. Und
eigentlich verheimlicht man das eher auch. Das, was ich gelesen habe, man
versucht das als Frau ja auch zu deckeln.
Stefanie: Ja, da besteht natürlich eine ganz große Ambivalenz. Und dass ist natürlich
auch verständlich, wenn eine Struktur da ist. Es sind die Kinder, die in die
Schule gehen, die in den Kindergarten. Da ist vielleicht die Nachbarin, die ganz
normal mit mir spricht und so. ja, wie kann ich reagieren. Aber da sind wir
dann da, um Unterstützung zu bieten. Und das auch über einen längeren
Zeitraum.
Rebecca: Es geht ja eigentlich auch nicht immer nur um Gewalt. Wer kann sich als Frau
zu welchen Themen noch bei euch melden?
Bea: Also, ich glaube, dass es wichtig ist zu wissen, dass, wenn ich mich als Frau
nicht gut fühle, dann kann ich auf jeden Fall bei uns anrufen. Ob wir
spezialisiert sind für das Thema, dass dann kommt, ist eine andere Frage. Und
trotzdem haben wir vielleicht einen Überblick darüber, was es für Angebote
gibt. Und würden dann auch weiter verweisen bzw. eine Stelle nennen, wo es
Hilfe geben kann.
Rebecca: Ja.
Stefanie: Aber, du hast natürlich recht. Es sind nicht nur Gewaltthemen. Wir haben
auch psychische Belastungen, wie Depressionen, Ängste. Wir haben
Krisensituationen, ausgelöst durch bestimmte Ereignisse. Verlust eines lieben
Menschen. Wir haben Trennungen, Scheidungswünsche oder Absichten, die
wir unterstützen können. Also, auch diesen Bereich decken wir ab.
Rebecca: Orange your City war im November. Was ist das genau?
Bea: Am Fünfundzwanzigsten Elften ist jedes Jahr der Tag gegen Gewalt an Frauen.
Und es gibt die Brötchentütenaktion. Da kommen sozusagen Brötchen und
Infomaterial in eine Brötchentüte unter dem Hashtag bzw. unter dem Thema
Gewalt kommt nicht in die Tüte. Genau. Orange your City wäre ohne
Energiekrise wäre das eine Aktion, wo bedeutende Gebäude orange angestrahlt werden. Als Zeichen gegen Gewalt an Frauen. Weil das, wie gesagt, kein
individuelles Problem ist, sondern es ist unser gesellschaftliches Problem. Ja.
Leider dieses Jahr nicht möglich aufgrund der Energiekrise. Aber wir hoffen,
dass es sich nächstes Jahr umsetzen lässt.
Rebecca: Ok. Und dafür hattet ihr eine Bank, die in Husum in der Norderstraße steht.
Bea: Ja, richtig, genau.
Rebecca: Die habe ich heute Morgen gesehen. Bin ich extra vorbeigefahren nochmal.
Ja, ich würde dann mal sagen vielen Dank.
Stefanie: Herzlichen Dank.
Rebecca: Was ist euch wichtig?
Stefanie: Ja, also wichtig ist nochmal zu sagen, dass unser Angebot immer kostenfrei ist
und dass wir der Schweigepflicht unterliegen. Das heißt, das, was uns erzählt
wird, geht nicht nach außen. An keine andere Stelle. Es geht nicht an die
Polizei oder ans Jugendamt. Je nachdem, was noch involviert ist, werden wir
darüber nicht reden.
Bea: Genau. Und das Weitere ist, wenn es um Partnerschaftsgewalt geht, dass es
nicht unser Interesse ist, dass Frau sich trennen muss. Sondern wir
unterstützen die Frau darin, ein Leben zu finden, dass stressfreier ist bzw.
auch gewaltfrei ist. Und wir möchten die Frau unterstützen, da wo sie gerade
steht und da wo sie hin möchte.
Rebecca: Ja, vielen Dank Stefanie und Bea für euren Einblick.
Möchtest du weitere Informationen? Dieses und weitere Informationen findest du auf unserer Homepage: www.kibis-nf.de. Kommst du aus einer anderen Region, dann schau doch mal auf der Schleswig-Holsteinischen Homepage der Selbsthilfe Kontaktstellen vorbei: www.selbsthilfe-sh.info.
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